Machtblog Wortwitze(?)

Merkels Morsleben

Posted in Politik, Umwelt by deepgerda on 8. Oktober 2009

Atommüll-Endlager Morsleben. Im Wahlkampf tauchte dieser Name maximal am Rande auf. Nur SPD-Mann Sigmar Gabriel hat ihn in den Wochen vor der Bundestagswahl etwas ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Nun ist er Bundesumweltminister, sodass das nicht weiter verwunderlich ist. Was mich wirklich überrascht hat, ist, mit wie wenig Elan die Grünen als Anti-Atomkraft-Vorzeige-Partei das Thema in der Öffentlichkeit behandelten. Dabei merkt man, wenn man sich auch nur ein wenig mit dem Thema Atommüllendlager beschäftigt, ziemlich schnell, dass sich damit prima Wahlkampf gegen Atomkraft machen ließe. Aber von vorn.

Ausgangspunkt meiner Darstellung soll sein: Atomkraftwerke produzieren radioaktiven Abfall, der teilweise über mehrere Tausend Jahre von der Umwelt isoliert gelagert werden muss, was praktischerweise tief im Erdinneren geschehen soll. In Morsleben z.B. Was ist hieran politisch so interessant?

Morsleben in Sachsen-Anhalt. In den 60er und 70er Jahren zum zentralen Endlager der DDR auserkoren, wurde 1986 eine unbefristete Betriebsgenehmigung für einen Teil des ehemaligen Salzbergwerks ausgesprochen. Im Zuge der Wiedervereinigung wurde das Lager übernommen, um weiter schwach- und mittelradioaktiven Müll einzulagern. Bereits zu DDR-Zeiten gab es Experten, die das Lager für unsicher hielten, weil abzusehen war, dass unkntrolliert Wasser eintreten und die Stollen überfluten könnte. Aber in den 90ern wurde sogar mehr Müll eingelagert als in der DDR-Genehmigung festgelegt war und die Einlagerung auf bisher nicht als Lagerstätten vorgesehene Stollen ausgedehnt. Die Landesumweltministerin von Sachsen-Anhalt, Heidrun Heidecke, hat vergeblich versucht, die Einlagerung wegen Sicherheitsbedenken zu stoppen, wurde aber von der damaligen Bundesumweltministerin, die die Oberaufsicht hatte, zurückgepfiffen und angewiesen, nur noch in Rücksprache mit dem Bundesministerium sich dazu zu äußern. Begründung: Das Lager sei sicher. Außerdem müsse der Müll ja irgendwo hin. Diese Bundesministerin hieß nun gerade Angela Merkel.

Morsleben muss für über 2 Milliarden saniert werden, weil, ja weil der Stollen absäuft. Also so ziemlich das Szenario, wovor Leute schon in den 70ern gewarnt haben. Aber das war ja auch die DDR damals. Warum hat man als BRD-Bundesminister mehr den DDR-Staatsapparaten geglaubt bei der Sicherheit von Morsleben als Leuten, die Kritik übten, wo man gegenüber der DDR sonst eher skeptisch war? Weil es einem wunderbar in den Kram passte und man zehntausende Fässer radioaktiven Abfalls auf einfache Weise los wurde?

Die CDU hat einen Wahlkampf gemacht, der neben He Man-Vergleichen nur aus einer Aussage bestand: Wählt Merkel! Wieso hat man z.B. als Grüne das nicht aufgegriffen und gesagt: Schaut hin, was Frau Merkel kann, wenn es um Atommüll geht. Und die Frau will die Kernkraftwerke länger laufen lassen?

Ich verstehe es einfach nur nicht, ich hab auch den Grünen-Abgeordneten meines Wahlkreises auf abgeordnetenwatch.de danach gefragt, aber bisher keine Antwort erhalten.

Man muss fairerweise sagen, dass, soweit ich weiß, bisher keine akute Gefährdung festgestellt werden konnte. Aber das Lager ist jetzt 30 Jahre alt. Wir schaffen es offensichtlich nicht einmal, über diesen Zeitraum zuverlässig Probleme zu vermeiden. Wie kann man da jemandem glaubhaft versichern, man könne Sicherheit objektiv über 1000 oder 5000 Jahre gewährleisten?

Apropos Objektivität: Das als Endlager für hochradioaktiven Müll vorgesehene Gorleben wurde als Standort unter anderem nach folgendem Aspekt ausgesucht: Es lag in Niedersachsen an der Grenze zur „Zone“, heute Sachsen-Anhalt. Ratet mal, was auf der anderen Seite des Stacheldrahts lag… richtig. Herr Albrecht scheint das mit dem Willen zur Wiedervereinigung damals nicht ganz verstanden zu haben. Jetzt haben wir zwei unsichere Lager mitten in Deutschland.

Aber Weitsicht ist auch verdammt anstrengend. Da bleiben wir lieber bei „Was die können, können wir schon lange“. In der Schule wurde man für diese Denkweise zurechtgewiesen. Das sei doch Kindergarten.

Parole: Mehr Bildung für Bundesminister!

Posted in Politik by deepgerda on 6. Oktober 2009

Dass es demnächst eine schwarz-gelbe Bundesregierung geben wird, haben sicher alle bemerkt. Dass Union und FDP deshalb gerade Koalitionsverhandlungen führen, wohl auch. Und dass sie sich dabei anscheinend noch lange nicht in allen Punkten einig sind, zeigt ein einfacher Blick auf tagesschau.de.
Wehklagen über eine schwarz-gelbe Regierung auf der einen und Jubel über dieselbe auf der anderen Seite gibt es eine ganze Menge. Ich neige auch eher der Das-wird-düster-Fraktion zu, was mich aber beim Lesen des obigen Tagesschau-Artikels wirklich wütend macht, ist nicht einmal unbedingt nur, wer sich dort streiten darf, sondern worüber. Hartz IV oder Bürgergeld – sprich: Wie und wie viel verteile ich an Leute, die je nach Sichtweise nicht arbeiten können oder wollen. Steuersenkungen und Freibeträge: Auf wie viel Entlastung dürfen Gut- und Besserverdienende hoffen und dadurch die Wirtschaft nicht ankurbeln.
Auch um Bildung ging es. Interessant ist hier, worum genau: Mehr Eigenständigkeit für Hochschulen, veränderte Bachelor-Studiengänge. Noch viel interessanter aber, worum nicht: Kindergarten und -krippe für alle Kinder, bessere Ausbildung für Erzieher, mehr Ganztagsschulen mit besseren Angeboten… Ja, Bildung ist Ländersache. Schlimm genug. Aber auch als Bundesregierung kann man Rahmenbedingungen schaffen. Wenn man denn will. Und Vor allem: Wenn man es denn für wichtig erachtet.
Genau das macht mich so wütend. Weder die Union noch die FDP scheinen auch nur ansatzweise verstanden zu haben, wie wichtig Bildung ist. Forschung und Entwicklung sollen gefördert werden mit viel Geld. Das ist richtig so. Aber Bildung fängt nicht erst an der Uni an, sondern im Kindergarten. Im Gegenteil, gerade das Kindergartenalter ist viel wichtiger. Hier werden die Grundlagen für Erfolge gelegt. In diesem Alter könnte man für ein großes Wort sorgen: Chancengerechtigkeit. Wenn Kinder in die Schule kommen und nicht einmal einen Stift halten können, weil sie, aus welchen Gründen auch immer, zu Hause nicht die Unterstützung bekommen haben, die sie gebraucht hätten, und es einen Kindergartenplatz für sie nicht gab oder zu teuer war, dann gibt das ein erbärmliches Bild unserer Gesellschaft ab und ein paar Milliarden für Spitzenforschung nützt ihnen gar nichts. Der Zug ist einfach abgefahren. Im Alter von 6 Jahren. Es sollte zum Heulen sein. Aber diskutiert wird darüber, ob Hartz IV besser ist oder ein Bürgergeld, das man sich vom Finanzamt holt.
Kindergarten für alle ist nicht nur praktisch für Muttis und Papas, die gern arbeiten und ihre Kinder in dieser Zeit trotzdem gut aufgehoben wissen würden. Sondern es gleicht auch Unterschiede im Elternhaus aus. Es sorgt dafür, dass auch Kinder aus sogenannten „bildungsfernen“ Elternhäusern anständig gefördert werden. Soziale Verhaltensweisen würden spielerisch erlernt. Auch Kinder, die sonst nur DVD und Fernsehen kennen, würden die Erfahrung machen, wie es ist, wenn einem vorgelesen wird. Oder wie einem jemand zeigt, wie man seine Namen schreibt und sich freut, wenn man es dann kann. Oder der einem zeigt, was man mit Knete alles für tolle Sachen machen kann. Oder oder oder. Ja, das könnten Eltern alles auch zu Hause machen. Die Frage ist doch: Tun sie’s? Nicht alle. Und selbst wenn, wäre der Umgang mit Gleichaltrigen nicht totzdem ein Gewinn für sie? Vielleicht sogar auch das Gefühl, einem anderen Kind zu helfen, das noch nicht so toll mit Schere und Papier umgehen kann? Auch manchem Kind aus besseren Verhältnissen wäre sicher geholfen, wenn ihm einige Perversitäten der „leistungsorientierten“ Elite-Kindergärten erspart blieben und es sehen würde, dass es auch Eltern gibt, die sich nicht nur über Aktienkurse und Steuersparmodelle unterhalten können und es kein Naturgesetz ist, dass Autos mindestens fünf Meter lang sind und der Fahrer einen siezt. Insgesamt würde eine hundertprozentige Abdeckung mit Kindergärten ohne Zu-Hause-Lockversuche für Ärmere wie das Betreuungsgeld der CSU dafür sorgen, dass Kinder, wenn sie sich schon um den besten Abschluss und den tollsten Job rangeln müssen, wenigstens von einer Linie loslaufen und nicht manche eine Eisenkugel hinter sich her ziehen während andere von Anfang an hundert Meter Vorsprung bekommen.
Dann könnten wir darüber diskutieren, ob manche Leute, die Hartz IV bekommen und keinen Abschluss haben, einfach keine Lust zum Arbeiten haben und deshalb weniger bekommen sollten. Auf der jetzigen Grundlage sind die Gewichtungen in Verhandlungen und Debatten scheinheilig und pervers. Da regen sich Leute, die als Kinder alle Chancen hatten und sie genutzt haben, darüber auf, dass Menschen, die nie eine Chance hatten, diese nicht nutzten.
Das ist nicht nur einfach überheblich, sondern auch dumm und kurzsichtig: Auch und gerade wenn man der Meinung ist, dass Leute, die nichts leisten, auch nur minimal Geld bekommen sollten, wäre es doch klug, dafür zu sorgen, dass genau diese Leute keine Ausrede mehr haben. Ganz einfach indem man ihnen alle Chancen gibt. Aber so viel Weitsicht darf man wohl von Leuten nicht verlangen, deren größtes Problem die nächste Landtagswahl in NRW und damit die eigene Macht ist.
Ich bin mir nicht sicher, ob v.a. die Altherrenriege in der Union wirklich denkt, dass das alles Mist ist und Muttis, die zu Hause das Kind hüten, die viel bessere Lösung darstellen. Oder ob da bei manchen nicht auch etwas anderes mit hinein spielt: Besitzstandswahrung. Denn so wie die Situation in Deutschland jetzt ist, läuft es für Leute, die zur oberen Hälfte gehören, doch top: man kann sich ziemlich sicher sein, dass man selbst und seine Kinder auch weiterhin gut dastehen werden und die unten auch unten bleiben werden. Es wird immer erzählt, Pisa habe gezeigt, dass deutsche Kinder dümmer seien als andere. Das stimmt nur sehr bedingt. Ja, wir haben nicht gut abgeschnitten im Durchschnitt. Was aber viel schwerer wiegt: Bei uns besteht ein stärkerer Zusammenhang zwischen sozialem Hintergrund und Bildungsstand. Sprich: Kinder aus Hartz-IV-Familien können sich schon einmal auch auf Hartz IV vorbereiten und Kinder mit Akademiker-Eltern können sich schon bei der Einschulung für die Uni voranmelden. Manchen spielt das vielleicht sogar in die Hände. Ich weiß es nicht, vielleicht will ich es auch lieber gar nicht wissen.